Der amerikanische Patient

Strategie Walmart

Der amerikanische Patient

Wenn Strategien zu kurz greifen

Walmart ist ein imponierendes Unternehmen. 1962 in den USA gegründet, ist es heute nicht nur das umsatzstärkste Unternehmen der Welt (ca. 475 Mrd. $), sondern mit über 2,3 Mio. Angestellten auch der größte private Arbeitgeber der Welt.

Der Einzelhandelskonzern skaliert über den Alphatrend „Superlativieren“. Mit Einkaufsflächen, die einst zehnmal so groß waren wie die der Wettbewerber, und schwer zu unterbietenden Preisen, schuf sich der international agierende Konzern eine beachtliche Stellung. Und um das Unternehmen weiterhin auf Wachstumskurs zu halten, verpasste sich das Unternehmen vor zwei Jahren eine neue Strategie.

Diese Strategie ist ein lehrreiches Anschauungsbeispiel, das im Grunde auf 80 Prozent aller Unternehmen weltweit passt und das Dilemma zeigt, in dem sich die Unternehmenslenker befinden: Die meisten reagieren nur auf die Defizite der Vergangenheit und sehen in fortlaufenden Verbesserungen das Heilmittel für die Zukunft. So entsteht allerdings keine echte, in den Bann ziehende neue Strategie für die Zukunft.

Worin besteht nun die aktuelle Walmart-Strategie?Walmart Logo

  • Walmart sieht sich selbst weiterhin als wichtigen „großen“ Player.
  • Der neue Fokus liegt auf dem Heimatmarkt, um dort die Potenziale besser auszunutzen.
  • Das Unternehmen versteht sich als Hybrid-Anbieter mit stationären Filialen und einen Online-Shop, der noch deutlich stärker ausgebaut werden muss.
  • Daneben will Walmart seine Kompetenz als Big Data-Anwender verbessern, um das Kundenverhalten noch genauer vorhersagen zu können.
  • Ferner versteht sich Walmart als Anbieter künstlicher Intelligenz, um Bestellvorgänge noch bequemer zu machen.
  • Parallel soll auch das angekratzte Image als Arbeitgeber verbessert werden.

Fünf Punkte, die allesamt vernünftig klingen. Bei kritischer Betrachtung ergibt das jedoch keine zukunftsweisende Strategie, sondern nur die dringend erforderliche Aktualisierung der bisherigen Vorgehensweise.

Doch wie könnte eine neue, mitreißende Strategie für Walmart aussehen? Fünf einfache Fragen weisen den Weg:

1. Was war die Basis des bisherigen Geschäftsmodells?
Vielfalt beim Sortiment und hohe Preisgünstigkeit, bei einem auf Größe und Service ausgelegten Einkaufserlebnis. Motto: größer und preiswerter als alle anderen.

2. Wie lautet das Geschäftsmodell der Zukunft?
„Mit unserer Preisgünstigkeit bleibt dir mehr zum Leben über.“ Diese Preisgünstigkeit begleitet den Kunden ein Leben lang und umfasst alle seine Konsum-Bedürfnisse: Windel, Wiege, Lebensmittel, Kleidung, Versicherung, Mobilität, Reise, Haus, Wohnung, Energie, bis zur Bestattung etc.: Motto: immer günstiger, ein Leben lang.

Strategie Shopping3. Was bedeutet das international?
Das Bedürfnis günstiger einzukaufen und zu leben, ist weltweit vorhanden und bezieht sich auf alle Lebensbereiche. Mit seinem guten Markenimage kann das Unternehmen viele neue Produkte und Dienstleistungen in aller Welt anbieten. Immer günstiger als andere, damit seine Kunden sparen können. Die Folge: den Kunden bleibt mehr Geld über, mit dem sie zum Teil noch mehr konsumieren können, möglichst bei Walmart. Diese Leistungen können stufenweise weltweit angeboten und ausgebaut werden.
Der vermeintliche Wettbewerber Amazon verfolgt das Ziel der weltweiten Verfügbarkeit und Erreichbarkeit. Er verfolgt nicht das Ziel, der Billigste zu sein. Daher würde sich Amazon durchaus als Kooperationspartner in der Logistik eignen, um rasch viele Kunden zu erreichen.

4. Wie sieht die Stellung des Unternehmens in 5 bis 10 Jahren aus?
Walmart schickt sich an, als Monopolist weltweit mit Abstand die Nr. 1 zu werden. Ähnlich wie es bereits Microsoft und Google gelungen ist. Der Alphatrend „Superlativieren“, dem das Unternehmen unbewusst seit vielen Jahren folgt, kann auch weiterhin genutzt werden, da er Vision und Strategie hervorragend unterstützt und untermauert.

5. Was greift an der heutigen Walmart-Strategie zu kurz? 
Es werden nur die heutigen Schwachstellen behandelt, ohne eine neue Geschäftsidee, geschweige denn ein Geschäftsmodell, für die Zukunft zu zeichnen und zu verfolgen. Die Chance, die internationale Rolle auszubauen, wird nicht genutzt.

Strategie ist also nicht gleich Strategie

Woran erkennt man nun eine gute Strategie? Sie bringt den Kernnutzen mit wenigen Worten auf den Punkt, ist in der Sprache einfach und peilt immer eine klare Marktposition an. Modeschlagwörter wie Augmented Reality, künstliche Intelligenz oder Industrie 4.0 haben in der Regel darin nichts zu suchen. Ganz wichtig ist: sie muss mitreißen. Denn, wenn das Ziel nicht hoch und attraktiv genug ist, machen die Mitarbeiter nur aus Loyalität und nicht aus Begeisterung mit. Die Folge sind ständig neue Argumentationsschleifen, endlose Meetings und eine niedrige Umsetzungsgeschwindigkeit. Kurzum, der Erfolg wird sich nicht in der erhofften Güte einstellen.

Wer sich jetzt vor Augen führt, wie häufig Strategien nach dem Walmart-Muster ablaufen, sieht, wie groß das in den Unternehmen schlummernde Potential ist, das sich durch Strategie-Supervision noch wecken lässt – nicht nur beim umsatzstärksten Unternehmen der Welt.

Über den Autor:
Christian Kalkbrenner, Dipl.-Kfm. (univ.), ist Strategieberater aus Überzeugung. Für seine Kunden entwirft er seit Jahren skalierende Geschäftsmodelle, um Umsätze und Gewinne zu vervielfachen und den Unternehmenswert zu steigern. Dafür hat er ein eigenes Strategieverfahren entwickelt, den Bambus-Code®, für den er mit dem „Großen Preis des Mittelstandes“ ausgezeichnet wurde. Mit sieben Fachbüchern, vielen Fachartikeln und Vorträgen zählt er zu den Kompetenzführern seines Faches.

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