Anfang November fand in Berlin der Bundesball des Wettbewerbes Großer Preis des Mittelstandes statt. Dabei handelt es sich um die Auszeichnungsgala des wichtigsten deutschen Wirtschaftspreises. Gut 600 Personen wohnten der Auszeichnung besonders erfolgreicher Unternehmen des deutschen Mittelstandes bei.
Raten Sie, wer dabei fehlte? Die Politik. Kein Minister, kein Staatssekretär, kein Ministerpräsident, kein Abgeordneter, kein Bürgermeister aus der großen Hauptstadt. Niemand. Obwohl an alle ausführliche Einladungen ergingen. Mittelstand ist für die Politik einfach kein Thema, zwischen den Wahlen.
Manipulierte Meinungsbildung
Auch ansonsten entsteht leicht der Eindruck, dass es den Mittelstand in Deutschland gar nicht gibt. Ist Ihnen schon mal aufgefallen, welchen Unternehmen die kostbarste Sendezeit vor der Tagesschau unter der Woche freigehalten wird? Richtig: der Börse und damit den darin notierten Dax- und M-Dax-Unternehmen. Denen, die den kurzfristigen Renditen folgen und immer gleich Mitarbeiter entlassen, wenn die Zahlen mal drohen, in den Keller zu gehen.
Tatsächlich werden 95 % der in Deutschland ansässigen Betriebe als Familienunternehmen geführt. Von Erfolgsstories erfolgreicher deutscher Mittelständler erfährt man vor der Tagesschau nichts. Kein Wunder, dass ein großer Teil der deutschen Bundesbürger meint, die Wirtschaft bestehe überwiegend aus Konzernen, die häufig genug auch noch für negative Schlagzeilen sorgen.
Ohne Lobby kein anderes Bild in der Öffentlichkeit
Da dem Mittelstand die Lobby für die Öffentlichkeit fehlt, kann er auch wenig an seiner Marke arbeiten. Obwohl Insider aus aller Welt uns Deutsche glühend um unseren Mittelstand und das dahinterstehende Erfolgsmodell beneiden. Woher ich das weiß? Weil beispielsweise auf jenem besagten Ball in Berlin das japanische Fernsehen den ganzen Abend interviewte und filmte, was das Zeug hielt. Um für die Heimat eine Reportage über den deutschen Mittelstand zu drehen. Die Japaner sind auf Zack. Die wissen, von wem sie lernen können und wo die Benchmark sitzt.
Kein Platz im Flugzeug
Auch an anderen Anzeichen ist zu merken, dass das Herz unserer Politik nicht am Mittelstand hängt. Betrachten Sie mal die Wirtschaftsdelegationen, die unsere Politiker bei Auslandsreisen begleiten. Es sind zu 95 % diejenigen, die wir bereits aus den Minuten vor der Tagesschau kennen. Die auf politischer Ebene die ganz großen Deals abschließen, von denen natürlich dann auch die mittelständischen Zulieferer profitieren. Aber es gibt auch Mittelständler, die als Begleitung dafür genauso in Frage kommen würden. Allein die Chance hierzu fehlt.
Den Politikern fehlt das Unternehmer-Gen
Warum findet der Mittelstand nicht mehr Beachtung in der Politik, in den Medien und damit auch in der Bevölkerung? Zum einen, weil die meisten Politiker keine Kinder aus Unternehmerfamilien sind und ihnen somit das Unternehmer-Gen fehlt. Zum anderen, weil es natürlich deutlich werbewirksamer und imagefördernder ist, sich mit dem Vorstand eines bekannten, börsennotierten Unternehmens zu präsentieren als mit Herrn Unbekannt von der Firma Namenlos. Hinzu kommt, dass unsere Politiker und die angestellten Manager eine große Gemeinsamkeit haben: sie sind alle Auslaufmodelle. Die einen abhängig von Regierungsmehrheiten, die anderen abhängig von den Gewinnen.
Vielleicht sind Ihnen deshalb die Unternehmer, die mit ihrem eigenen Geld etwas aufgebaut haben, die mit ihrem eigenen Ruf und ihrem Vermögen haften, deren Erfolg langfristig und nachhaltig wirkt, so suspekt. Und vielleicht vermeiden Sie deshalb den allzu häufigen Kontakt.
Wissen schafft Vertrauen
Kurzfristig werden weder ein Blog-Beitrag noch Appelle etwas verändern, denn es handelt sich hierbei um ein strukturelles Thema. Wir sollten daher mit der Aufklärung über den Mittelstand früher und breiter beginnen: in der Schule. Um die Berührungsängste mit Unternehmen und Unternehmern zu nehmen. So wird in der breiten Wahrnehmung dann allmählich aus dem häßlichen Entlein der strahlend schöne Schwan „Mittelstand“, der er in den Augen der Wissenden schon lange ist.
Über den Autor:
Christian Kalkbrenner, Dipl.-Kfm. (univ.) verhilft Unternehmen mit seinem prämierten Strategieansatz „Bambus-Code“ zu neuen Kunden und mehr Nachfrage. Er ist Strategieberater, Autor mehrerer Fachbücher und Redner.
Sie wollen mehr darüber erfahren, was Christian Kalkbrenner für Ihr Unternehmen tun kann? Hier geht es zum Beratungsangebot.
Ähnliche Artikel:
Deutschlands Nobel-Uhren-Hersteller verschlafen den Trend
Google im neuen Gewand – War es das wert?
Die Fünfkämpfer unter den Unternehmen
Leser, die diesen Artikel gelesen haben, besuchten auch:
Der Zauber der hormonellen Unternehmensführung
Vom Leistungsverbrechen zum Leistungsversprechen
So beeinflusst die Marke den Kauf